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Bild: Anika Werner
Ausflugstipp

Bei Emma zu Hause

Emma Wrede hat mehr als 60 Jahre im Kavalierhaus am Steinweg in Gifhorn im ersten Stock gewohnt. Sie starb 1997, aber die Wohnung blieb. Käme Emma heute zurück in ihre Wohnung, hätte sie das Gefühl, sie käme nach Hause.

Ein altes Haus mit Charakter

Als ich die Stufen zu Emma Wredes Wohnung in Gifhorn hochgehe, muss ich mich sehr konzentrieren. Keine Stufe gleicht der anderen. Die alte Treppe knackt und knatscht unter meinen Füßen. Über die Trittflächen sind merklich viele Jahre lang viele Menschen hinauf- und hinabgestiegen. Oben angekommen, stehe ich in der Diele der Wohnung. Die Holzdielen sind auch hier uneben, die Schwellen zu den Zimmern unterschiedlich hoch, jede Tür hat andere Maße und die Wände sind schief und krumm.

Eine authentische Wohnung aus dem vorigen Jahrhundert

Über die Jahrhunderte hat das denkmalgeschützte Haus von 1546 viele unterschiedliche Menschen beherbert: Es wurde für den Hofmarschall des Herzogs gebaut und war später Gästehaus für Kavalliere und Ritter. Die steinerne Fassade ist einzigartig unter den Gifhorner Bürgerhäusern.

Als ich durch die Wohnung von Emma Wrede gehe, fühlt es sich an, als besuchte ich eine Freundin meiner Oma. In der Küche steht der alte Kessel auf der Küchenhexe. Im schweren Gefäß rasseln die Kalkkrümel, als Museumsleiterin Anette Thiele ihr Lieblingsstück schüttelt. Die Schränke sind mit geblümten Schrankpapieren ausgeschlagen. In der Vorratskammer halten alte Zeitungen her, um die Regale sauber zu halten. Fast hoffe ich ein bisschen, dass Emma gleich um die Ecke kommt, sich ihren Kittel überstreift und mir einen Steckrübeneintopf kocht.

Die Wohnung sieht aus, als könnte die Bewohnerin jeden Moment wieder zur Tür hereinkommen.

Ich gehe ins sogenannte Herrenzimmer und setze mich in einen der Cocktailsessel, die mitten im Raum um einen runden Tisch stehen. In der Ecke steht ein speckiger Ledersessel. Es braucht nicht viel Fantasie, um zu sehen, wie hier Emmas Mann Wilhelm saß und seine Zigarre paffte. Auf dem Beistelltisch stehen Aschenbecher und eine Streichholzschachtel. In der anderen Ecke an der Wand hängen Bilder von Emma und Wilhelm Wrede und Emmas Vater. Darunter ein Kalender. Das vergilbte Blatt vom 26. August 1992 kräuselt sich ein bisschen. „An diesem Tag war Emma Wrede zum letzten Mal in ihrer Wohnung“, sagt Anette Thiele. „Sie ist in ihrem Garten gestürzt und hat sich den Fuß verletzt. Nach ihrem Krankenhausaufenthalt ist sie zu ihrer Adoptivtochter Erika Meyer-Wrede gezogen.“ Alles andere blieb so, wie Emma es am Tag des 26. August 1992 zurückgelassen hat. Als Emma Wrede 1997 starb, vermachten ihre Erben das Haus und sein Inventar dem Landkreis Gifhorn.

Am Morgen des 26. August hat Emma Wrede das letzte Kalenderblatt abgerissen.

Grammophon, Lästerecke und ein Upgrade

Im Nebenraum fällt mein Blick als erstes auf das alte Grammophon. Gebrauchte und neue Nadeln liegen parat, eine Kurbel an der Seite könnte das Teil in Gang bringen. Die Schellackplatte „Der Wirt vom Heidekrug“ von Harry Steiner war wohl die letzte Scheibe, die Emma Wrede abspielte. Daneben geht es drei Stufen hoch in einen gemütlichen Erker. Von hier aus blicke ich auf den Steinweg, die Fußgängerzone von Gifhorn. Durch die Seitenfenster kann ich die Straße weit nach links und rechts überblicken. Die Museumsleiterin weiß: „Emma nannte dies immer ihre Lästerecke. Hier machte sie es sich mit Freundinnen gemütlich und beobachtete durch die Gardinen das Geschehen in Gifhorn.“ Der Erker ist mit Teppich ausgekleidet, auch das war typisch für die Zeit, in der Emma hier lebte und erinnert mich an das Haus meiner Großeltern, bei denen es ganz ähnlich aussah.

Modernes, Neues, Buntes gibt es hier nicht zu sehen. In dieser Generation war es üblich, Altes wieder herzurichten oder zu modernisieren. Wie die kleine Tischlampe in der Ecke, die eigentlich mit Petroleum zum Leuchten gebracht wurde. Wilhelm und Emma ließen sie mit einer Glühlampenfassung ausstatten. Eine Rechnung liegt neben der Lesebrille und dem Notizheftchen auf dem Tisch. Wie die Lampe erzählen viele Kleinigkeiten in der Wohnung Geschichten, die sich Anette Thiele alle von der Adoptivtochter berichten ließ. „Leider habe ich Emma nicht persönlich kennengelernt. Aber ich hatte viele Stunden intensive Gespräche mit der Adoptivtochter. Und die kleinen besonderen Geschichten gebe ich nun weiter.“

Die Lästerecke im Erker der Wohnung war eine der Lieblingsplätze von Emma Wrede.

EMMA – Museumswohnung im Kavalierhaus ist „Ein Museum Mit Atmosphäre“, so heißt es im Wortspiel. Die Museumswohnung im Kavalierhaus ist samstags von 11 bis 13 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen von 15 bis 17 Uhr geöffnet. Sie kann frei oder im Rahmen einer Führung besichtigt werden. Der Eintritt kostet 3 Euro für Erwachsene, Kinder bis 11 Jahre haben freien Eintritt, in einem Alter von 12 -18 Jahre zahlen sie 2 Euro.

Weitere Infos findest du hier:

So kommst du hin:

RE30, RE50
Gifhorn
Vom Bahnhof aus bummelst du 45 Minuten durch die Stadt bis zum Kavalierhaus am Steinweg 3. Mit dem Rad brauchst du etwa eine Viertelstunde.
Anika vom enno

Anika vom enno

Anika genießt das Landleben in Radbruch. Am liebsten erkundet sie mit ihrer Familie und den Hunden Dexter und Didi die Natur oder bestaunt auf Städtetrips Architektur und Geschichte.

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